Die Jahresplanung für das eigene Unternehmen ist so etwas wie der heilige Gral des Controllers. Hier darf er Excel-Tabellen in fast beliebigen Ausmaß bauen. Endlich darf er „im Auftrag“ der Unternehmensleitung die Kollegen nerven, deren Input zur wichtigen Jahresplanung noch aussteht. Als Krönung schenkt der Geschäftsführer ihm endlich mal ungeteilte Aufmerksamkeit. Jetzt darf am großen Rad der Jahresplanung für das Gesamtunternehmen gedreht werden.
In Zukunft läuft ALLES besser.
Gott sei Dank ist das Jahr bald vorbei und die Probleme können in den Aktenschrank geschlossen werden.
Ein Blick auf den Markttrend und dann 15% on top. Schließlich willst Du ja eine positive Grundstimmung mit Deiner Jahresplanung verbreiten. Dein StartUP soll wachsen und den Markt „outperformen“. Schließlich soll ja auch Dein Investor zufrieden gestellt werden.
Du hast gerade erhebliche Qualitätsprobleme bei Deinen Produkten? Egal, das wird schon.
Dein wichtigster Kunde überlegt, im nächsten Jahr weniger bei Dir zu kaufen? Schade, aber dann finden sich neue Kunden.
Das Prinzip „Hoffnung“ wird sehr häufig zur grundlegenden Säule der Jahresplanung – gerade bei StartUPs!
Warum?
Weil Du Deinen Investoren unmöglich sagen kannst, dass Du mit einer Stagnation oder gar Rückgang der Umsätze und Ergebnisse rechnen musst?
Ach so, das ist ja nur die externe Planung. Du glaubst ja auch selbst nicht so wirklich an das, was da drin steht. Aber es gibt noch eine interne Planung!
Die fällt dann entsprechend vorsichtiger aus? Dort hast Du dann einen Risikoabschlag einkalkuliert, so dass es erfahrungsgemäß passen sollte.
Prima!
Dann drücke ich im kommenden Jahr die Daumen, dass beim Monatsabschluss-Bingo Deine Zahlen aufgerufen werden
Stop! Ich kann dieses Geblubber nicht mehr hören. Daher mein ernst gemeinter Ratschlag an Dich:
Geh’ lieber mit Deiner Schwiegermutter essen, als Deine Zeit in so eine Jahresplanung zu investieren!
Karsten Bauer ergänzt in seinem Artikel „Budgetierung: Vermeidbaren Fehlern die rote Karte zeigen„, die Liste von unsinnigen Marotten, die gerne auch im StartUp-Umfeld bei der Jahresplanung gemacht werden. Statt Wochen in die Planungsphase zu investieren, solltest Du lieber die Zeit in etwas Sinnvolles investieren. Sollte Dein Unternehmen frei von externen Zwängen für eine Planung sein, so solltest Du ernsthaft darüber nachdenken, ganz auf eine Planung zu verzichten.
Habe ich als Controller, das wirklich geschrieben?
Ja, hab’ ich und ich weiß, jetzt gibt es wieder Haue von der Conntrollerzunft!
Aber Leute, machen wir uns nichts vor:
Die Zukunft ist nicht planbar.
Das Argument für eine Planung ist häufig, dass jedes Unternehmen Ziele benötigt. Diese Ziele werden dann in Form von Planzahlen niedergeschrieben und zwar in etwa in der weiter oben angerissenen Manier. Denk jetzt bitte mal an das letzte Jahr zurück!
- Wann hast Du angefangen, die Abweichungen der Gesamtkapitalrentabilität vom Plan zu analysieren?
- Wann hast Du Argumente gesucht, warum Du den Plan nicht erreicht hast oder warum Dein StartUP diesen sogar übertroffen hat?
Im ersten, zweiten oder dritten Monat des letzten Geschäftsjahres?
In der Folge hast Du dann die Planabweichungen auf das Gesamt-Geschäftsjahr hochgerechnet und eifrig darüber diskutiert, welche falschen Annahmen der Planung zugrunde lagen. Oder es ist etwas Unvorhersehbares passiert, so dass die Planung gar nicht passen konnte.
STOP – genau das ist der Punkt.
Es ist etwas Unvorhersehbares passiert! Im Allgemeinen nennen wir dies Zukunft. Und die können wir – Gott sei Dank – nicht vorhersehen.
Wir investieren also im Rahmen der Jahresplanung wahnsinnig viel Zeit, um irgendeine Zahl zu produzieren. Wir wissen aber gleichzeitig, dass diese Zahl sowieso nicht stimmt. Sie ist falsch!
Der Plan ist schon richtig, die Realität ist nur falsch!
Genau!
Die Planungsprämissen sind total logisch. Leider hält sich die Zukunft nur in äußerst seltenen Fällen an diese Prämissen.
Das wäre alles halb so Schlimm, wenn die Planungszahlen wirklich ernst genommen würden. Doch tut das jemand in Deinem Unternehmen?
Du wirst jetzt vielleicht sagen, dass in Deinem Unternehmen die Planzahlen in die Zielvereinbarungen der Mitarbeiter geschrieben werden. Somit ist auch ein Teil des Gehalts an die Jahresplanung gekoppelt. Dadurch wiederum stellst Du eine hohe Identifikation mit den Unternehmenszielen sicher. Und selbstverständlich werden dadurch auch die Planzahlen ernst genommen.
Bravo! Noch ein bis zehn Diskussionen mehr.
Jetzt darfst Du nicht nur begründen, warum Dein StartUP die Planzahl nicht trifft, sondern auch noch diesbezügliche Gespräche auf Mitarbeiterebene führen. Je nach Größe Deines StartUPs darfst Du auch noch aufpassen, dass die Kollegen nicht noch artistische Kunstgriffe in Eurem ERP-System einüben, um zum Beispiel die echte Marge an die Planmarge anzupassen (!) . Schließlich kann der Mitarbeiter ja nichts dafür, dass in China Kekse umgefallen sind und deshalb der Einkaufspreis Deiner Zukaufkomponenten exorbitant gestiegen ist.
Sehr gerne werden in Situationen, wo die Ist-Zahl sich in die falsche Richtung entwickelt, eigene Reports aufgesetzt. So eine Art „Under-Cover“-Report, der wieder mal aufzeigt, dass die Planung schon toll war, aber irgendetwas ist halt dazwischen gekommen.
Ich denke, wir beide verstehen uns jetzt, oder? Wir halten also fest:
Eine Jahresplanung macht grundsätzlich keinen Sinn!
Wobei, das würde ich so auch nicht stehen lassen sollen. Im Gegenteil. Ich finde eine Jahresplanung grundsätzlich sogar ganz toll.
Jetzt dreht der Jörg doch endgültig durch! Was denn nu’?
Naja, das Blatt dreht sich, wenn Du mit Deinem StartUP eine echte Vision verfolgst.
Denn dann hast Du vermutlich auch echte strategische Ziele definiert. Diese werden logischerweise dann in Jahresziele heruntergebrochen. Nachdem Du Deine Vision ja unbedingt erreichen willst, bist Du quasi dazu gezwungen, in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, ob Dein Unternehmen noch auf dem Weg ist. Oder hast Du aus Markterfahrungen lernen dürfen und darfst jetzt einen „Umweg“ einplanen?
Was wäre, wenn Du aber die Jahresplanung als Etappenplanung auf dem Weg zu Deiner Vision begreifst? Dann spielen wir beide auf demselben Spielfeld. Denn genau dazu bietet sich die Jahresplanung an. Aber nur dann, wenn Du nicht mit der Planung für das Gesamtunternehmen selbst aufhörst. Vielmehr solltest Du auch die nächsten Schritte für alle Fachbereiche definieren, die dieses Jahresziel beeinflussen können.
- Welche Projekte solltest Du mit Deinem StartUP angehen, um das Jahresziel zu erreichen?
- Wie sehen die erforderlichen Projektschritte aus?
- Welche Voraussetzungen sollten zunächst geschaffen werden?
Plane es genau durch, was passieren darf, damit Du im kommenden Jahr einen echten Schritt in Richtung Deiner Vision machst.
Es geht nicht darum überflüssige Papiertiger als Diskussionsthema zu erstellen, sondern begeistere Deine Investoren und Dein gesamtes Unternehmen mit einer Vision. Zeige ihnen die erforderlichen Schritte auf und überzeuge sie von Deinen Maßnahmen, die Du Dir dafür vorgenommen hast. Bring Deine Jahresplanung in einen Gesamtkontext, der für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar ist.
Verstehst Du, was ich meine?
Mir ist wichtig, dass Du den Unterschied sowohl in Deinem Bauch, als auch in Deinem Kopf speicherst. Also:
Wo ist der Unterschied ganz genau?
… zwischen der Planungsvariante, über die ich mich weiter oben fast etwas lustig gemacht habe und der, die ich jetzt zum Ende des Artikels befürworte?
Erstens: Der Artikel ist noch gar nicht zu Ende.
Zweitens: Der Unterschied ist, dass Du nicht über eine isolierte theoretische Zahl diskutierst, die irgendwie zustande gekommen ist. Jetzt diskutierst Du über eine Zahl, die ein Milestone auf dem Weg zu DEINER Vision darstellt.
Der Fokus Deiner Diskussion ist komplett anders. Außerdem ist die Zahl nicht irgendwie ermittelt worden, sondern Du hast Dir für Dein StartUP genau überlegt, welche Maßnahmen und Projekte Du angehen solltest, um die Zahl zu erreichen. Solltest Du Deine Planzahl dann doch nicht erreichen, dann wirst Du über die Projektinhalte des abgelaufenen Jahres reden. Du wirst mit Deinen Investoren und auch mit Deinen Kunden über echte Inhalte reden und nicht nur eine Zahl. Das macht nicht nur mehr Spaß für alle Beteiligten , sondern rückt (hoffentlich) auch das Wesentliche wieder in das Zentrum all Deiner Diskussionen:
Den Kundennutzen, den Dein StartUP maximieren möchte!
Jetzt ist Ende .-)
Was solltest Du auf jeden Fall aus diesem Artikel mitnehmen:
- Eine isolierte Jahresplanung, ohne Einbindung in einen echten strategischen Kontext, ist Zeitverschwendung!
- Eine Jahresplanung, ohne konkrete Projekte und Maßnahmen zur Unterfütterung, ist Zeitverschwendung!
- Eine Jahresplanung, die einer Vision folgt und eher als Überprüfung des Status auf dem Weg zum (strategischen) Ziel dient, ist sehr sinnvoll!
Wie machst Du eigentlich Deine Jahresplanung? Wie stark orientierst Du Dich heute noch an Deinem Business-Plan? Und welche Probleme tauchen bei Dir immer wieder auf? Schreibe dazu jetzt gerne einen Kommentar.
bleib' erfolgreich!
Jörg Roos
Für Selbstständige & Geschäftsführer mache ich Finanzen einfach, damit sie die richtigen Entscheidungen treffen und so unternehmerisch gesund wachsen können.
Last Updated on 16. Januar 2022 by Jörg